artist statement (german)


Meine künstlerische Arbeit beschäftigt sich mit dem Blick nach Innen.

Es geht mir darum, mich dem Moment und somit dem unmittelbaren Sein hinzugeben, anstatt mich, wie so oft im profanen Leben, in

abstrakten Intellektgebilden zu verlieren. Weniger homo rationalis, mehr homo ludens.

 

Das nächtliche Malen ist ein von Reflektion und Kalkül weitgehend befreiter Prozess: Ich versuche intuitiv Impulsen nachzugehen und zu

lernen, dem steten inneren Flüstern zuzuhören. Übungen im Loslassen, Kontrolle abgeben, ein Spiel mit Form und Farbe, das nicht dem

Druck unterliegt irgendetwas darstellen, oder eine Funktion erfüllen zu müssen.

 

Dieser selbstvergessene Schaffenszustand ist von dem stetigen Oszillieren zwischen scheinbar widersprüchlichen Emotionen geprägt.

Flackernde Getriebenheit folgt auf spielerische Leichtigkeit, eruptive Aggression löst sich in tiefer Melancholie auf.

 

Die Bilder werden zugelassen, ein Resonanzversuch mit dem Unbekannten.


 

Sascha Dettbarn erkundet die Parallelwelt der Kunst auf nahezu allen möglichen Kanälen: Fotografie, Design, Musik, Film, Text und Malerei sind Länder in denen er heimisch wird. Präzise, klare und reduzierte Architekturfotografie, Musikproduktionen der verschiedensten Richtungen, ironische und ästhetisch vollendete Grafiken, intelligente Filmkonzepte, philosophische Spaziergänge in Textform. Und dann: Malerei.

 

Erst spät hat Sascha die Malerei oder die Malerei Sascha gefunden. Genau hier legte der Künstler die größte Entfernung, den längsten Weg zurück. Heute steht er an einem Punkt, den er früher niemals für möglich gehalten hätte: als Verfechter einer abstrakten Malerei. Ohne ein ‚realistisches‘ Bildmotiv eröffnet sich dem Betrachter ein Bildraum, der nur für ihn persönlich existiert. Dettbarns Gemälde werden zu einer Projektionsfläche des Betrachters, dessen Unterbewusstes in der eleganten Vielschichtigkeit der Werke flaniert. Dem Einen eröffnen sich gletschergesäumte Eishöhlen, dem Anderen sturmumtoste Ozeanwogen, ein Dritter sieht einen Wanderer in Nebellandschaft. Die Kunst findet eben im Rezipienten statt und genau darin liegt für Sascha Dettbarn der Reiz. Um den Assoziationsraum offen zu halten, bleiben seine Werke unbetitelt. Der Künstler malt wie im Traum, in nächtlicher Stille entwachsen ihm die phantastischen Leinwand-Welten.

 

Trotz der unterschiedlichen Interpretationen oder eher Projektionen empfindet der Betrachter eine eigentümliche Tiefe der Werke. Wie ein Fenster in eine andere Welt, in welche man sich durch die Leinwandoberfläche hinein lehnen kann.

Diese Leinwandoberfläche selbst ähnelt einer Reliefkarte: Gebirgsrücken türmen sich durch pastose Spachtelmasse auf. Mit geradezu alchemistischer Neugier experimentiert Sascha Dettbarn mit diversen Materialien: Kerzenwachs wird mit Acryl vermischt, Strukturpaste wird auf die Leinwand gespachtelt und die dynamische Kraft findet bis zum Zerreißen der Maloberfläche Eingang in das Werk. Verliert man sich in der Tiefe seiner Gemälde oder staunt über die Farboberflächen wird die Intensität und Unmittelbarkeit der Werke physisch und emotional erfahrbar.

 

Blickt man nun auf die anderen Werke des Künstlers, wie seine minimalistischen Fotografien, wird die lange Reise von Sascha Dettbarn in die Welt der Abstraktion evident. Bleibt nur weiterhin viel Entdeckerfreude und Reiselust zu wünschen, denn der Alltag bedarf dieser träumenden Parallelwelten, die sich jedem unterschiedlich öffnen.

 

Julia Taut, Kunsthistorikerin, BBK Braunschweig Torhaus-Galerie